Herzlich willkommen zum zweiten Teil der neuen Serie "Mikroskopische Holzbestimmung"!
Hier geht es zur Übersicht über alle Teile dieser Aufsatzreihe.
Abkürzungen siehe ganz unten im Text!
Allgemeiner Teil
Tüpfel bei Nadelholz
Tüpfel stellen Durchbrechungen durch die Wandungen zweier benachbarter Zellen an einer bestimmten Stelle dar, durch die ein Austausch von Wasser und Nährstoffen erfolgt. Mittig zwischen den Durchbrechungen liegt die sogen. "Tüpfelmembran". Bei Nadelholz unterscheidet man grundsätzlich folgende drei Tüpfelarten:
A) Doppelseitig behöfte Tüpfel, auch doppelseitig behöfte Tüpfelpaare oder einfach Hoftüpfel genannt.
Sie verbinden benachbarte Tracheiden miteinander. Der Aufbau ist recht komplex. Jeder der beiden Tracheiden ist eine Behöfung zugeordnet, mittig dazwischen die Tüpfelmembran.
B) Einfache Tüpfel
Sie bestehen lediglich aus zwei Durchbrechungen ohne Behöfungen, nur mit zwischenliegender Tüpfelmembran. Sie verbinden benachbarte Parenchymzellen miteinander.
C) Einseitig behöfte Tüpfel, auch einseitig behöfte Tüpfelpaare genannt
Es handelt sich hierbei um die sogen. Kreuzungsfeldtüpfel, die man im Kreuzungsfeld vorfindet. Sie verbinden jeweils eine Tracheide mit der angrenzenden Parenchymzelle. Auf der Tracheidenseite findet sich die Behöfung, auf der Parenchymseite eine einfache Durchbrechung. Mittig liegt die Tüpfelmembran.
Je nachdem, wie die Durchbrechung auf der Parenchymseite gestaltet ist, unterscheidet drei Untergruppen. Man kann im gut eingefärbten Radialschnitt im Bereich des Kreuzungsfeldes diese Form der Durchbrechung mehr oder weniger deutlich erkennen.
Beispiele (nach Slyper; Robichaud et al.):
C1) Fenstertüpfel (Kiefernarten).
Sie besitzen eine Öffnung, die in Radialsicht fast so groß ist wie die Parenchymzelle. Fenstertüpfel sind immer gut erkennbar und stellen ein Alleinstellungsmerkmal für Kiefernholz dar.
C2) Piceoide Tüpfel (Fichte, Lärche, Douglasie, Ginkgo, Hemlocktanne-, Lebensbaum-)
Die Öffnung ist schlitzförmig innerhalb des kreisförmigen "Hofumrisses" und ragt sogar ab und zu über diesen hinaus.
C3) Cupressoide Tüpfel (Eibe, Wacholder, Fichte, Lärche, Lebensbaum-, Tanne-, Hemlocktanne-)
Die Öffnung ist schlank elliptisch innerhalb des kreisförmigen Hofumrisses.
C4) Taxodioide Tüpfel (Weißtanne, Lebensbaum, Zeder, Fichte, Lärche, Lebensbaum, Tanne, Hemlocktann)
Die Öffnung ist breit elliptisch bis rundlich innerhalb des kreisförmigen Hofumrisses.
Zwischen C2) und C3) bzw. zwischen C3) und C4) gibt es Übergänge, oft sogar am gleichen Holz.
Minuszeichen bedeutet: kommt seltener vor.
Schematische Zeichnungen der drei Tüpfelarten kann man hierbei Wikipedia finden.
Spezieller Teil - Der Riesenmammutbaum - Sequoiadendron giganteum
Heute wollen wir uns dem Riesenmammutbaum Sequoiadendron giganteum zuwenden. Es ist relativ wenig an Literatur zur mikroskopischen Holzanatomie dieser Art zu finden.
Junger Riesenmammutbaum in einem Park
Herkunft der Holzprobe
Ein 5 cm dicker, heruntergefallener Ast von einem 1957 angepflanzten Mammutbaum-Areal bei Karlsbad, Kreis Karlsruhe.
Kurzbeschreibung
- Ein Nadelholz mit sehr deutlichen Jahresringgrenzen
- Keine Harzkanäle
- Spätholztracheiden sehr dickwandig
- Tracheiden ohne Schraubenverdickungen
- Hoftüpfel an den Radialwänden der Tracheiden 1-reihig
- Holzzstrahlen homozellular, d.h. nur aus Parenchym bestehend, 1-reihig, bis zu acht Zellen hoch
- Viel Axialparenchym, vornehmlich im Spätholz und im Übergangsbereich zum Frühholz.
Material und Methoden
- Holzklötzchen vor dem Schneiden 4 h lang in Wasser gekocht.
- Schnittdicken - Q 40 µm, R, T je 30 µm.
- Einfärbung in "Etzold-blau" 1 : 1 mit Wasser - Q 10 min, R 20 min, T 10 min.
- Entwässerung in Isopropylalkohol 100-prozentig in 3 Phasen: 10 sec, 30 sec, 2 min
- Eindeckung in Euparal
- Aushärtung über 24 h im Wärmeofen (Joghurtbereiter), beschwert mit Whiteboard-Magneten
Querschnitt durch einen 4 mm dünnen Zweig
Querschnitt-Übersicht
- Wir sehen fast zwei Jahresringe. Wuchsrichtung von unten nach oben. Die Jahresringgrenze JG (Winterruhe) ist deutlich ausgeprägt.
- Der Übergang vom Frühholz zum Spätholz erfolgt allmählich. D
- ie Spätholztracheiden STr sind wesentlich dickwandiger und englumiger als die Frühholztracheiden FTr.
- Die Holzstrahlen HS sind in diesem Schnitt nur undeutlich wahrnehmbar. Das Holz besitzt erstaunlich viel axiales Parenchym APa. Es ist in Form einer tangentiale Reihe ausgerichtet und befindet sich vornehmlich im Spätholz bzw. im Übergang vom Früh- zum Spätholz.
- Harzkanäle sind keine vorhanden.
Querschnitt-Detail
- Wir sehen oberhalb der Jahresringgrenze weitlumige Frühholztracheiden, die untereinander durch Hoftüpfel HTü (zweiseitig behöfte Tüpfel) verbunden sind.
- Links im Bild in vertikaler Richtung ein Holzstrahl. Er ist, wie bei unseren Nadelhölzern üblich, 1-reihig, d.h. eine Zellreihe breit.
- Bei den blauen, strichförmigen Strukturelementen an seinen Außenseiten handelt es sich um einseitig behöfte Tüpfel HETü, die eine Querverbindung zwischen dem Holzstrahl-Parenchym und den benachbarten Tracheiden darstellen.
Radialschnitt-Übersicht
- Vertikal verläuft die Jahresringgrenze JG, rechts Spätholz, links Frühholz, Breitenwachstum von rechts nach links.
- An den Radialwänden der Frühholz-Tracheiden sind die Hoftüpfel HTü gut erkennbar.
- Da keine Zwillingstüpfel zu sehen sind, haben wir es mit einreihig verlaufenden Hoftüpfeln zu tun.
- Vertikal verlaufen außerdem im Frühholz-Spätholz-Übergang zwei apotracheale Parenchymstränge APa. Ihre Zellen sind lang-rechteckig.
- .Im Bild außerdem sieben Holzstrahlen HS, die nur wenige Zellreihen (2-4) hoch sind.
- Es sind keine Quertracheiden (Holzstrahl-Tracheiden) zu sehen. Bezüglich der Holzstrahlen liegt mithin Homozellularität vor.
- Zwei der Holzstrahlen habe ich gelb umrandet, um zu zeigen, dass es sich um die Kreuzungsfelder KF handelt, in denen die (Längs-)Tracheiden sich mit dem Holzstrahl-Parenchym kreuzen.
- Das geübte Auge kann an den "unsauberen" Zellen des axialen Parenchyms APa und des Querparenchyms MS unschwer erkennen, dass hier leicht vermorschtes Holz vorliegt. Der Pilzkundler nennt sowas "Initialphase der Vermorschung".
Radialschnitt-Detail
- Sehr eindrucksvoll, zeigt dieses Bild doch einerseits, dass das Holz bereits von Pilzhyphen PHy massiv durchzogen ist und andererseits, dass noch sämtliche bestimmungsrelevanten Merkmale klar erkennbar sind.
- Ganz rechts außen noch zwei Spätholztracheidenmit Hoftüpfeln, darauf folgt die Jahresringgrenze (Winterruhe) und darauf fünf Frühholztracheiden.
- Quer verläuft ein vier Zellrreihen hoher, homozellularer Holzstrahl, der natürlich das Kreuzungsfeld darstellt. Die beiden mittigen Reihen sind blau, d.h. hier wurde Parenchym geschnitten, während bei den beiden äußeren Reihen (rot) die Wandung zu sehen ist.
- Die Kreuzungsfeldtüpfel KTü, die die Verbindung zwischen Holzstrahl und (Längs-)Tracheide darstellen, besitzen eine schlitzförmige (Piceoide Tüpfel) bis schmal-ellipsoide (Cupressoide Tüpfel) Öffnung. Die Winkellage der Öffnungen ist etwa waagerecht.
- Man kann sogar die sogen. "Einfachen Tüpfel" ETü erkennen, die benachbarte Parenchymzellen miteinander verbinden.
Tangentialschnitt-Übersicht
- Dieser Schnitt zeigt einen tangentialen Schnitt durch das Frühholz mit seinen dünnwandigen, weitlumigen Frühholz-Tracheiden, einem axialen Parenchymstrang APa und vielen, frontal geschnittenen Holzstrahlen HS.
- Die Holzstrahlen sind 1-reihig, wie stets bei Nadelholz, und im Bild bis zu sechs Zellreihen hoch. Bei Durchsicht mehrerer Schnitte würde man erkennen, dass sie bis zu acht Reihen hoch sein können.
Tangentialschnitt - Hoftüpfel und Pilzhyphen
- In diesem Schnitt ist gut erkennbar, wie sich eine dünne Pilzhyphe PHy (blau) im axialen Parenchym APa ausbreitet.
- Die geschnittenen Hoftüpfel HTü an den Radialwänden der Tracheiden sind ebenfalls sehr schön zu sehen.
Tangentialschnitt-Detail
- Ein Blick auf die unterschiedlichen Tüpfel: Zwischen benachbarten Tracheiden haben wir die zweiseitig behöften Tüpfel HTü.
- Und zwischen Holzstrahl-Parenchym und Tracheide die einseitig behöften Tüpfel HETü, mit der Behöfung auf der Tracheidenseite. Letzteres ist beim Tüpfel an der unteren Pfeilspitze erkennbar.
- Rechts sind Pilzhyphen PHy zu sehen.
Weitere, sehr empfehlenswerte Ausarbeitungen zu Thema Riesenmammutbaum
Hans-Jürgen Koch: Mammutbaum (Sequoiadendron giganteum)
Eckhard Völcker: Riesenmammutbaum (Sequoiadendron giganteum), Spross quer, Wacker Färbung
Alles Gute und viel Erfolg mit der Holzmikroskopie!
Bernd
Literatur zur Aufsatzreihe
- Grosser, D. (2007): Die Hölzer Mitteleuropas. Remagen
- Miggel, B. (2017): Holzbestimmung mit dem Mikroskop. IHW-Verlag, Eching
- Schwarze F.W.M.R., Engels J & Mattheck C. (1999): Holzzersetzende Pilze in Bäumen. Strategien der Holzzersetzung. Freiburg i. Br.
- Schweingruber F.H. (1990): Mikroskopische Holzanatomie. Birmensdorf (Schweiz)
- Wagenfürh R. (1999): Anatomie des Holzes. Leinfelden-Echterdingen
Bezugsquelle für Etzold-FCA und Euparal
Fa. MicroLab, Dr. Klaus Herrmann. Eine Liste der verfügbaren Chemikalien kann per E-Mail angefordert werden: herrmannkk@online.de
Meine Ausrüstung
- Mikroskop:Olympus BHS mit aufgesetzter DSLR Canon EOS 600D
- Objektive: Zeiss Plan 2,5/0,08 - Olympus DPlan 4/0.10 - Leitz Wetzlar NPL Fluotar 10/0.30 - Leitz Wetzlar NPL Fluotar 25/0.55 - Nikon PlanApo 40/1.0 Oil - Zeiss Planapo 100/1.3 Oel
- Mikrotom: Reichert-Jung Schlittenmikrotom
Abkürzungen (gelten auch für den Plural)
EZ - Epithelzelle
GG - Grundgewebe bei Laubholz (Holzfasern und/oder Fasertracheiden)
HS - Holzstrahl
HK - Harzkanal
AHK - Axialer Harzkanal
RHK - Radialer Harzkanal
Tr - (Längs-)Tracheide bei Nadelholz bzw. Fasertracheide bei Laubholz
FTr Frühholztracheide
STr Spätholztracheide
QTr - Quertracheide (Holzstrahl-Tracheide)
JG - Jahresringgrenze
APa - Axiales Parenchym (Längsparenchym)
QPa - Querparenchym (Holzstrahl-Parenchyn)
HTü - Hoftüpfel, doppelseitig behöfter Tüpfel
ETü - Einfacher Tüpfel
HETü - Einseitig behöfter Tüpfel
ZwTü - Zwillingstüpfel
FTü - Fenstertüpfel
Th - Thylle
PHy - Pilz-Hyphen