Hallo Detlef,
Ich hoffe, unsere ausführliche Diskussion über Kriebelmücken langweilt die Forengemeinde nicht allzu sehr! Immerhin finden sich die Larven und Puppen der Simuliiden in allen Fließgewässern. Speziell dort, wo die Strömung am höchsten ist. Um es sind auch dankbare Objekte für die Mikroskopiker, wie Deine Bilder es schön bestätigen.
Nun zu Deinen Fragen:
Die Familie der Simuliiden ist recht alt, sie haben schon an Dinosauriern Blut gesaugt und sich seither kaum verändert. Wie es der Schwarm von zwei Männchen beweist, der von ca. 35 Millionen Jahren im Bernstein eingeschlossen wurde.
Die Definition eines 'Schwarms' bei Dipteren besagt, dass mehrere Individuen zur gleichen Zeit am selben Ort mit einem gemeinsamen Ziel in der Luft schweben - und im vorliegenden Fall Beide im Harz des Baumes eingefangen wurden, unter dessen Optischer Marke die Männchen schwärmend auf ein über ihnen vorbeifliegenden Weibchen lauern. Deshalb die riesigen, nach oben zum Himmel gerichteten Dorsalaugen, mit denen sie die Weibchen erspähen. Achte mal drauf: Am späten Nachmittag, bei tiefer Sonne, kann man die Schwärme von Kriebelmücken (meist nur ein paar wenige Individuen) unter oder über optischen Marken sehen. Unter auslagenden Zweigen, über Büschen in Nähe der Brutgewässer.
Die Fixierung und Konservierung in 70%igen Alkohol ist optimal für die morphologische Untersuchung. Zur molekulargenetischen Untersuchung empfiehlt sich absoluter Alkohol (96%), in dem die DNA länger stabil erhalten bleibt.
Die Stiche der Kriebelmücken können hochtoxische Komponenten enthalten und in großer Zahl sogar Rinder töten. Boophtora erythrocephala - allein schon der Name besagt es: Rotköpfige Rindstöterin! Dazu kömmt häufig eine bakterielle Infektion der Stichwunde:
Andererseits ertragen die Betroffenen in Afrika, dort wo Simulium damnosum s.l. die Flußblindheit (Onchozerkose) überträgt, die vielen Stiche weitgehend ohne lokale Reaktion: Anflugdichten von über 1.000 Kriebelmücken pro Mensch und Tag, über das Jahr gemittelt (!!), sind dort keine Seltenheit. Auch in Afrika fliegen die Weibchen bevorzugt in Bodennähe an - während die selben Mücken am Rind den Bauch zur Blutmahlzeit bevorzugen. Offenbar ist das Anfluverhalten selbst innerhalb einer Art wirtsspezifisch. Andererseits gibt es einheimische Arten (Wilhelmia equina), die am Rind und Pferd in die Ohren krabbeln, um dort zu saugen - aber kaum an den Menschen gehen.
Auch wenn der aktive Flug der Weibchen auf wenige Kilometer beschränkt ist, so können die Weibchen doch mit dem Wind (Monsumstürmen) über Hunderte von Kilometern verfrachtet werden. Dieses Verhalten ermöglicht es den Mücken, in der Trockenzeit völlig ausgetrocknete Gewässer in der Regenzeit neu zu besiedeln. Eine Distanz von wenigen Kilometern ist für die Müclen kein Problem!
Wie die Eiablage in den oft schwer zugänglichen und aus der Ferne optisch kaum zu erkennenden Brutstätten stattfindet, ist immer noch ein Rätsel. Die jungen Larven können sich zwar mit einem Seidenfaden flussabwärts driften lassen und neue Plätze in der Strömung besiedeln, aber eben nur flussabwärts. Die Gelege müssen flussaufwärts sein.
Deshalb wäre es lohnend, nach den Eigelegen zu suchen: An Stellen 'flussaufwärts' von den Larven und Puppen.
Es sind also noch viele Fragen offen! Und die Beschäftigung mit Kriebelmücken ist besonders lohnend, weil man sie bislang nicht im Labor halten kann - was heuzutage in der Wissenschaft als Grundvoraussetzung für die Erforschung gilt.
Viel Erfolg - ich bin gespannt auf Deine weiteren Beobachtungen!
Alfons