Alt gegen Neu: Antikes R. Winkel Objektiv vs. Nikon Planapo

  • Hallo zusammen,

    vor kurzem habe ich ein sehr altes Messingobjektiv aus Spanien erstanden. Nach kurzer Recherche schätze ich den Herstellungszeitraum auf 1860-1885. Über genauere Informationen würde ich mich sehr freuen. Das Objektiv ist in schönem Zustand und kam in der vermeintlich originalen Messingdose mit Schraubgewinde im Deckel. Die Frontlinse lässt sich abschrauben, ich schätze man erhält dann eine geringere Vergrößerung, das muss ich noch testen.

    Das Objektiv ist graviert mit "R. WINKEL GÖTTINGEN" und auf der gegenüberliegenden Seite mit "6".

    Die Abgleichlänge weicht von den 45mm ab und ist geringer. Um es am Zeiss Szandard WL zu verwenden, musste ich einen optiklosen Verlängerungsring (8mm) benutzen.

    Von der optischen Qualität bin ich wirklich erstaunt, es ist ein guter Achromat. Die Vergrößerung ist etwas geringer als bei meinem Nikon CFN Planapo 60 0.95 160/0.11-0.23, mit welchem ich es verglichen habe.

    Selbstverständlich ist der Planapo überlegen, aber es liegen immerhin um die 100 Jahre dazwischen und unterschiedliche Korrektionsstufen. Man könnte das Messingobjektiv auch heute noch gut verwenden. Meiner Meinung nach liegen da keine Welten dazwischen, wie es der Altersunterschied vermuten lässt.

    Die Bilder sind "straight outta cam" jpegs und wurden lediglich nach der Kompression nachgeschärft. Es wurde nichts weiter bearbeitet, um eine gewisse Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Ich habe natürlich bei jedem Objektiv separat geköhlert, es wurde nicht abgeblendet. Ich habe versucht, die selbe Schärfeebene zu erwischen, was aber kaum möglich ist.

    Fotografiert habe ich via Direktprojektion auf den Sensor meiner Nikon Z50.

    Ich bin gespannt auf eure Reaktionen,

    beste Grüße,

    Simon

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Simon,

    das zeigt nur, daß es die hohen Ansprüche schon damals gegeben hatte. :99:

    Die Satzobjektive sind eben aus der Mode gekommen und allenfalls nur noch bei den Kondensoren so vertreten. Auch war die Tubuslänge noch variabel, wogegen heutzutage eben nur mit fester Tubuslänge und konstanter Abgleichlänge gearbeitet wird.

    Beste Grüße

    Bernd

  • Hallo Bernd,

    das stimmt wohl😊.

    Im Fotobereich wurden die Satzobjektive durch Zoomobjektive verdrängt.

    In der Mikroskopie wäre das mittlerweile durch den komplexeren Aufbau nicht mehr möglich, außerdem verkaufen die Hersteller bestimmt lieber ein weiteres Objektiv😄

    Oder hat das noch andere Gründe?

    Die kleinen Gewinde sind bestimmt auch aufwendiger in der Fertigung.

    Ist schon erstaunlich, was die Altvorderen schon konnten!

    Mein ziemlich altes 100er Reichert aus dem Jahr 1937 hat mich auch schon mal aus den Socken gehauen :)

    Hallo Thomas,

    möchtest du auch mal Vergleichsbilder posten? Die Reichert Objektive sind bestimmt auch hervorragend.


    Grüße,

    Simon

    • Offizieller Beitrag

    Die kleinen Gewinde sind bestimmt auch aufwendiger in der Fertigung.

    Hallo Simon,

    ein paar Gewinde hat man ja sowieso noch an den Objektiven. So ein Satzobjektiv mag zwar in der Herstellung günstiger kommen als drei einzelne Objektive, aber sind in der Anwendung eben doch recht umständlich, wenn man für jeden Vergößerungswechsel erstmal viel kurbeln und schrauben muß, anstatt nur mal den Revolver, den man beim Satzobjektiv auch nicht unbedingt bräuchte, zu schwenken und etwas nachfokussieren.

    Ich hätte noch ein paar Objektive, bei denen die Frontlinsen leider im Eimer sind, darunter ein Planapo 63/1,4. Vielleicht ergibt der Rest noch ein brauchbares Bild.

    Beste Grüße

    Bernd

  • Hallo Simon,

    das ist wirklich bemerkenswert wie gut sich das antike Objektiv schlägt.

    Wenn es um 1860-1885 konstruiert wurde, fließen hier vermutlich noch gar nicht die Berechnungen von Ernst Abbe mit ein in der Konzeption des Objektivs. Denn vorher wurde in der Optik/Mikroskopiebau größtenteils ja auf Erfahrungswerte zurückgegriffen. Hinzu kommen noch die antiquierten Herstellungsverfahren. Wenn man sich auf historischen Bilder die alten "Schuppen" anschaut in denen solche Objektive konstruiert wurden und diese mit den Reinräumen und Möglichkeiten der heutigen Fertigeungstechnik vergleicht, wundert es einem noch mehr welche Leistung die Optiker damals erbracht hatten.

    Viele Grüße,

    Marcel

  • Hallo Bernd,

    das ist der Tat umständlich und außerdem fällt so eine kleine Linse auch gern mal auf den Boden oder man verliert sie.

    Komfortabel sieht anders aus.

    Das wäre bestimmt interessant, vor allem wenn ein vernünftiges Bild dabei rauskommen würde 😄

    Hallo Marcel,

    ich glaube, dass man bereits ab 1840 Objektive anhand von Berechnungen erstellt hat, zumindest für die Fotografie. Joseph Maximilian Petzval hat das nach ihm benannte „Petzval“ Objektiv zu dieser Zeit nach optischen Gesetzen konstruiert.

    Das R. Winkel 6 würde ich eher Ende 19. Jahrhundert einordnen, daher ist es vermutlich auch berechnet worden. Das wäre bei der Abbildungsleistung anders kaum vorstellbar. Die Leistung ist aber nichts desto trotz enorm:)

    Grüße,

    Simon

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Simon,

    eingangs erwähntest du bereits, daß die Eigenvergrößerung etwas geringer sei wie von deinem 60er Planapo. Ich schätze zwischen 40- und 50-fach, was sich wohl genauer ermitteln läßt. Aber wie groß ist denn die Apertur? Bekommt man damit eine Pleurosigma angulatum noch aufgelöst?

    Das wäre bestimmt interessant, vor allem wenn ein vernünftiges Bild dabei rauskommen würde 😄

    Das wäre zu befürchten. :99:

    Beste Grüße

    Bernd

  • Hallo Simon,

    ich glaube, dass man bereits ab 1840 Objektive anhand von Berechnungen erstellt hat, zumindest für die Fotografie. Joseph Maximilian Petzval hat das nach ihm benannte „Petzval“ Objektiv zu dieser Zeit nach optischen Gesetzen konstruiert.

    Nach optischen Gesetze wurden die Mikroskope schon konstruiert, nach wissentschaftlich fundierten Berechnungen jedoch erst 1872 mit Abbe. Das war ja auch meine Aussage oben. Ich hatte mich erst vor kurzem ein wenig mit Ernst Abbe beschäftigt und staunte selbst nicht schlecht, dass vorher größtenteils nach Erfahrungswerte berechnet wurde.

    Hier mal ein kruzer Auszug aus der eisenacher Website über Ernst Abbe:

    Zitat

    Seit 1870 wirkte Abbe als Professor an der Universität Jena. Die von ihm entwickelte Theorie der Abbildung im Mikroskop war Grundlage der wissenschaftlichen Optik und verschaffte Carl Zeiss einen wichtigen technologischen Vorsprung: Hatte man Mikroskope zuvor nur nach Erfahrungswerten hergestellt, so baute man sie ab 1872 auf der Grundlage wissenschaftlicher Berechnungen und erreichte damit wesentlich bessere optische Eigenschaften. Dies wiederum machte bahnbrechende Forschungen in Biologie und Medizin möglich, zum Beispiel die von Robert Koch und Paul Ehrlich.

    Was ich momentan nicht genau weiß, ist, in wieweit Rudolf Winkel Zugang hatte zu den wissenschaftlichen Veröffentlicheungen von Abbe bzw. wie schnell er das praktisch umsetzen konnte bei seinen Objetkive. Zu der Zeit hat Abbe ja mehr mit Schott und Zeiss gearbeitet.

    So oder so ist das echt interessant was das Objetkiv leistet.

    Viele Grüße,

    Marcel

  • Hallo Bernd,

    die Vergrößerung dürfte bei zw. 50-55x liegen. Wie auf dem Bildern ersichtlich ist die Vergrößerung, trotz Tubusverlängerung von 8mm, etwas geringer als die 60x des Nikon Objektivs.

    Die Apertur schätze ich auf ca.0.85, eine Pleurosigma löst es problemlos auf.

    Hallo Marcel,

    danke für die Infos! Stimmt, du hast dich ja gezielt auf Ernst Abbe bezogen.

    Ob und wie die Firma R. Winkel das gemacht hat, kann man nur erraten. Sicher hat man auch Berechnungen angestellt, wie präzise das war, weiß ich leider nicht.


    Ich habe nun von einer versierteren Person erfahren, dass das Objektiv jünger ist (nach 1890, u.a. aufgrund der Jugendstil Schrift).

    Es ist auch kein Satzobjektiv, man bekommt ohne die Frontlinse kein vernünftiges Bild, es ist sogar noch schlechter als das, was ein nicht immergiertes Ölobjektiv zeigt;)

    Grüße,

    Simon

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